La Traviata
Staatstheater Nürnberg

“Nürnberg glückt eine großartige Traviata. Sehr plausibel, anrührend, bewegend. Verantwortlich dafür ist Regisseurin Ilaria Lanzino, die das Stück nicht gegen den Strich gebürstet hat, ganz und gar nicht, sondern das Zentrale in diesem großen Drama herausgearbeitet hat. Eine ganz wahrhaftige Geschichte hier am Staatstheater Nürnberg, vor allem, weil sie so detailliert und so klug erzählt wurde. Die Aufführung bekommt eine enorme schauspielerische Intensität. Wir haben Traviata pur, obwohl sie so anders erzählt wird. Das ist nicht modernistisch, das ist im besten Sinne heutig, weil diese Aufführung uns alle betrifft. (…) Tatsächlich stößt Regisseurin Ilaria Lanzino am Staatstheater Nürnberg in den Kern der Tragödie vor. Diese verstörte zur Uraufführungszeit das Publikum und sollte es daher auch jetzt tun. Brandmarkung, gesellschaftliche Ächtung, schonungsloser Realismus, dafür findet Lanzino eine Übersetzung ins Heute. Keine Sekunde tappt sie dabei in die Aktualisierungsfalle. (…) Bis in die stummen Nebenrollen entfaltet alles enorme schauspielerische Energie. Jede Geste, jeder Gang ist wie aus dem Augenblick motiviert. (…) Verdis Evergreens missraten nie zu Schaustücken. Die Zerrissenheit in Violettas „È strano“, die heftige Auseinandersetzung mit Alfredo im Duett des zweiten Akts, die vergeblich aufglimmende Utopie in der Todes-Arie „Addio del passato“, all das wird ungewöhnlich ernst genommen. (…) Und man erlebt, wie überzeugt und damit überzeugend sich alle diesem musikalisch-szenischen Konzept hingeben. Ganz ohne Traditionen zu verraten entsteht da ein Bühnenschlager wie neu – eine Aufführung, die in Herz und Hirn trifft. Ein wirklich vollkommenes Theatererlebnis, wo das Stück auf seine zentrale Momente und Kraftfelder entblößt wird”
Markus Thiel
Merkur
“Eine radikale Neuinszenierung. Regisseurin Ilaria Lanzino wagt starke, manchmal schmerzhafte Bilder und findet eine radikal gegenwärtige Übersetzung von Verdis „La Traviata". Ihre hyperrealistischen Filmeinspielungen, die präzise verzahnten Tutti-Szenen von Ensemble, Orchester und Videorhythmus schaffen eine bedrängende Gegenwart. Verstörend, berührend, notwendig. Ilaria Lanzinos „La Traviata" ist kein ästhetisches Experiment, sondern ein scharfer, schmerzlicher Kommentar zu unserer Gegenwart: eine Oper über Gewalt, Heuchelei und digitale Kälte. Im Zentrum eine Frau, die daran zerbricht. Das Publikum reagierte mit lautstarkem Beifall.”
Kunst und Technik
„„Mit diesem überzeugenden Transfer einer der beliebtesten Opern des Repertoires in ein Problemfeld des 21. Jahrhunderts hat Ilaria Lanzino erneut bewiesen, dass sie in die Spitzengruppe regieführender Personen der Gegenwart aufgestiegen ist. (…) Das Konzept, nach dem Ilaria Lanzino ihre Regiearbeiten entwickelt, ist so einfach wie schlüssig: Sie untersucht die Stoffe vergangener Epochen auf die zugrunde liegenden gesellschaftlichen und moralischen Konflikte und übersetzt sie konsequent in die Gegenwart. (…) Wie auch in anderen Passagen des Librettos liest Lanzino die Worte neu, stellt sie in andere Zusammenhänge: Hier geht es nicht um die ungezügelte Lust am Vergnügen, sondern um die Freiheit von den inneren Belastungen. (…) Ilaria Lanzino inszeniert solche Szenen mit aufmerksamer Detailarbeit und profundem Blick auf psychologische Nuancen bis in die letzte Zuckung der Mundwinkel ihrer Darsteller.“
Der Neue Merker
“Im Netz als Nutte erniedrigt: „La Traviata" geht im Opernhaus an die virale Schmerzgrenze.
Taugt das Thema der geächteten Prostituierten noch zum Aufreger? Verdis „La Traviata" wird im Opernhaus von Regisseurin Ilaria Lanzino modernisiert: Sie macht die Hauptfigur zum Opfer einer Schmutzkampagne in den sozialen Medien. Das hat Zündstoff. (…) Am 04. Oktober gab es im Opernhaus gleich einen veritablen Aufreger zu bestaunen. Regisseurin Ilaria Lanzino verlegt das Drama um die gesellschaftlich geächtete Violetta Valery radikal in die Gegenwart und erzählt die Geschichte einer jungen Frau, die nicht an Tuberkulose stirbt, sondern an der psychischen Zerstörung durch digitale Stigmatisierung. Lanzino entwickelt die Handlung in unserer Welt, in der das Internet nichts vergisst und die digitale Öffentlichkeit gnadenlos urteilt. Ihre Violetta ist keine Kurtisane des 19. Jahrhunderts, sondern eine junge Frau von heute, die nach einer gefilmten Vergewaltigung auf einer Party zum Opfer eines viralen Shitstorms wird. Das Video, das sie in einem Moment totaler Wehrlosigkeit zeigt, verbreitet sich rasend schnell. In den Video-Installationen von Max Hammel und Lisa Rodlbauer geht das Skandalvideo viral, samt Kommentaren, Likes, digitaler Hetze - ein multimedialer Alptraum. So wird die reale Person der Violetta überdeckt vom digitalen Bild der „Nutte", wie es Netzkommentare drastisch formulieren und damit das Vergewaltigungsopfer immer weiter erniedrigen. Die Zuschreibung ist unwiderruflich, die gesellschaftliche Ächtung total. Lanzino demonstriert konsequent, wie sich die Dynamik des Netzes zur neuen Form des Unabwendbaren entwickelt hat - eine digitale Verdammnis, die bis in die privatesten Entscheidungen hineinwirkt. So gesehen begeht Violetta einen Fehler, wenn sie sich ihrer Liebe zu Alfredo öffnet. Dadurch wird sie verletzlich und gibt ihre Abwehrmechanismen gegen die gesellschaftliche Stigmatisierung auf. Mit schrecklichen Folgen, sie geht an der sozialen Ächtung zugrunde, sie, obwohl als junge Frau noch höchst vital, stirbt einen sozialen Tod. Lanzino findet hierfür einen klugen Einfall im Schlussakt, wo ein vereinsamtes Krankenbett auf der Bühne steht. So überzeugt Lanzinos Inszenierung als kluger Kommentar zur Gegenwart. Sie zeigt, wie sich die Mechanismen der Ausgrenzung verändert haben, ohne ihre zerstörerische Kraft zu verlieren.
Violetta stirbt nicht an einer Krankheit, sondern an der Unmöglichkeit, sich von einem extrem negativen Bild zu befreien, das andere von ihr entworfen haben. Damit ist diese „Traviata" im besten Sinne antiromantisch. Das Staatstheater startet mit einem Ausrufezeichen in die Opernsaison.”
NN
“Dank Regisseurin Ilaria Lanzino erlebt Verdis „La traviata“ am Staatstheater keine bemühte Aktualisierung, sondern die Rückgewinnung von theatralem und relevantem Zündstoff eines Meisterwerks. In der Neuproduktion von „La traviata“ gerät das Gesellschaftspanorama des seither äußerst beliebten und deshalb leicht gefährlichen Repertoirefavoriten zu einer höchst aktuellen Sittenstudie Lanzinos. Jetzt tritt an die Stelle von Alexandre Dumas Fils‘ „Kameliendame“ und Verdis Adaption zur Geschichte einer „Gestrauchelten“ das Schicksal eines Opfers von Social Media und der anonymen Gewalt von Shitstorms. Diese verdichtete Aktualisierung geht verblüffend gut, konsequent und logisch auf. Wieder einmal agiert Lanzino in ihrer Gegenwartstopographie mit der Drastik einer Dokumentarrecherche – mit der gleichen Härte wie Dumas‘ Roman.”
Concerti
„Lanzinos «Traviata»-Konzept ist mehr als riskant. Atemlos verfolgt man jede der genau aufgedröselten Szenen, alles geht verblüffend auf. Jede Geste, jeder Gang sind wie aus dem Augenblick motiviert. Die Regisseurin zeigt da ein Handwerk, auch eine Motivationskunst, die es mit Abenden à la Christof Loy aufnimmt”
Die Opernwelt
“Bulls, Bunnies, Shitstorms: Die neue Nürnberger „La Traviata" aktualisiert bitter und sensibel. Packendes Theater. Der riesige Schlussapplaus signalisiert: Andromahi Raptis, Sergei Nikolaev und llaria Lanzino sind das Dream-Team der Oper Nürnberg - zusammengeschweißt bereits in ihrer dritten gemeinsamen Produktion. Lanzinos Hauptthema ist nicht die Doppelmoral der Bourgeoisie, sondern die Exkommunikation von Opfern digitaler Häme. Jetzt kommt die Entsagungsforderung in Bewegung. Violetta verzichtet auf Alfredo, wird als durch Trauma und Exzesse ruiniertes Opfer bei einer schockierenden Begegnung vollends zum Wrack und stirbt. Ein faszinierender wie niederschmetternder Niedergang ohne Aussicht auf Rettung. Laute Ovationen”
NMZ
“In Ilaria Lanzinos radikaler "Traviata" am Staatstheater Nürnberg wird Violetta Valery zum Opfer einer Gesellschaft, die ihre Gewalt live teilt und Likes dafür kassiert. Kein Schmelz, kein Trost, sondern eine Oper als Spiegel unserer digitalen Selbstverliebtheit. ioletta ist keine Diva, keine Salondame, sondern eine Frau, die von den Verhältnissen zerstört wird, auf die sie emotional angewiesen ist. Ein beklemmend intensives Rollenporträt. Ein absolut zeitgemäßer Kommentar zur betrüblichen Erkenntnis, dass sich viele von uns zu Tode amüsieren.”
BR
”Ilaria Lanzino liefert eine radikale und schonungslose Deutung des Werkes in der Gegenwart. Regisseurin Ilaria Lanzino sieht das Werk durchaus zeitgenössisch und prasentiert in Nürnberg eine Inszenierung, die an Radikalität und Schonungslosigkeit nichts offen lässt. Lanzino zieht ihr düsteres Konzept gnadenlos durch, spaltet und polarisiert. Der Regisseurin Ilaria Lanzino ist eine Inszenierung geglückt, über die man sprechen wird und muss.”
O-Ton
”Eine radikale, zeitgenössische Lesart. Eine erschütternde Neuinterpretation”
Donaukurier
”Was passiert, wenn man abgestürzt ist? Ilaria Lanzino gibt in ihrer neuen Inszenierung von Verdis «La traviata» faszinierende Antwort. (…) Und so lässt sich auf der Staatstheaterbühne staunend nachvollziehen, wie sich der Text Francesco Maria Piaves und Verdis musikalische Deutung fast widerspruchslos mit Ilaria Lanzinos Geschichte verbinden lassen. Das liegt nicht zuletzt auch am scharfen Blick der italienischen Regisseurin für Details, mit denen sie die Handlung aber niemals überfrachtet. Selbst in den opulenten Szenen ist Ökonomie das erste Gebot, und nicht erst im intimen Aufeinandertreffen der Konfliktgemeinschaft Violetta, Alfredo und Papa Giorgio zeigt sich, wie hervorragend Lanzino die Personenführung auf der Bühne beherrscht und wie klug sie sich Verdis unschlagbarem Sinn für Dramaturgie anvertraut. (…) Ein gelungener Spielzeitauftakt.”
OPERN.NEWS
“Lanzino ist eine Meisterin darin, Handlungen neuzudeuten, um die Motive ins Heute zu bringen. Ein intensiv-intelligentes und bewegendes Opernerlebnis”
Kulturbrief
“Giuseppe Verdis La Traviata wird in ein brutales Medienzeitalter übersetzt.
Die italienische Regisseurin Ilaria Lanzino ist in Nürnberg schon bekannt für heftige Uminterpretationen (…) Logisch, spannend, nachvollziehbar und kongruent mit Verdis Musik. (…) Die Inszenierung verdient die frenetischen Bravis.”
Bayerische Staatszeitung
“Die Staatsoper Nürnberg legt eine erschütternd stringente Neuinszenierung von Giuseppe Verdis „La Traviata“ vor. Lässt sich eine Oper vorstellen, die zwingender einen Blick aus heutiger Perspektive verlangt als Giuseppe Verdis „La Traviata“? Wohl kaum, denn das Stigma des schlechten Rufes, zumal einer „gefallenen Frau“, im Zeitalter der scheinbar so gesitteten Bürgerlichkeit erfährt in digital-viralen Zeiten eine exponentielle Steigerung. Dass ein Gerücht, wie es in Rossinis „Barbier von Sevilla“ heißt, „ein Lüftchen“ sei, wirkt geradezu verharmlosend gegenüber dem, was heute zutreffend als „Shitstorm“ bezeichnet wird.
Genau das wird in der Neuinszenierung der „Traviata“ durch die Staatsoper Nürnberg von Anfang an mit erschreckender Deutlichkeit durchkonjugiert.
Art5III